Plenarvorträge

Jürgen Meichsner
Reaktive Plasmen - Wege zu einem besseren Verständnis
Montag, 27.3.2006, 14:00 Uhr, Hörsaal 1002
Molekulare, reaktive Niedertemperaturplasmen zeichnen sich durch eine Vielzahl von Plasmakomponenten und komplexe plasmachemische Reaktionen unter aktiver Mitwirkung der begrenzenden Oberflächen (Elektroden, Wände, eingebrachte Substrate) aus. Zu einem besseren Verständnis und der Kontrolle dieser Plasmen in der Wechselwirkung mit Oberflächen gelangt man von experimenteller Seite durch Aufklärung wesentlicher Elementarprozesse und Reaktionsmechanismen. Die Fortschritte in der raum-zeitlich aufgelösten Analyse atomarer und molekularer Plasmaspezies erlauben es, das Plasma und den Grenzschichtbereich Plasma-Oberfläche detailliert zu untersuchen. Gleichzeitig lassen sich Oberflächenprozesse erfassen. Am Beispiel der Analyse ausgewählter Plasmaspezies in kapazitiv gekoppelten Hochfrequenzplasmen (13,56 MHz) in den elektronegativen Gasen Sauerstoff bzw. Tetrafluormethan werden Erzeugungsmechanismen bzw. Folgereaktionen dieser Spezies dargestellt. Einbezogen werden u.a. die Anregung von atomarem Sauerstoff bzw. Kohlenstoff unmittelbar vor der Hochfrequenzelektrode, die Generation schneller negativer Ionen sowie plasmachemische Reaktionen zwischen Fluorkohlenstoffradikalen zur Bildung von Fluorkohlenstoffen mit höherem Molekulargewicht und die Deposition von dünnen Fluorkohlenstoffschichten.
Karl Lackner
Physikalische Probleme heißer Plasmen
Dienstag, 28.3.2006, 8:30 Uhr, Hörsaal 1002
In diesem Jahr soll der Bau von ITER als gemeinsames Projekt der EU mit China, Japan, Russland, Südkorea, USA und wahrscheinlich auch Indien in Cadarache (Frankreich), beginnen, mit der Erwartung den thermonuklearer Testreaktor 10 Jahre später in Betrieb zu nehmen. Experimente an mehr als 40 Tokamakanlagen haben während der letzten 4 Jahrzehnte die empirische Basis zur Planung von ITER als einen Testreaktor geschaffen, in dem die Temperatur des Plasmas überwiegend durch thermonukleare Selbstheizung aufrecht erhalten werden kann. Diese empirische Vorgangsweise wurde unterstützt durch ein zumindest qualitatives Verständnis aller relevanten physikalischen Prozesse. Jetzt nähern wir uns mit Plasmamodellen und Rechenanlagen Bedingungen, in denen ab-initio die komplexen nichtlinearen Wechselwirkungen über alle Skalen vom Ionengyroradius zu den Plasmaabmessungen in einem einzigen Modell, für realistische Parameterverhältnisse, simuliert werden können. Im kommenden Jahrzehnt wird uns mit W7X auch eine mit heutigen Tokamaks vergleichbare toroidale Anlage nach dem Stellaratorprinzip zur Verfügung stehen. Der Vortrag beleuchtet die physikalischen Probleme und den gegenwärtigen Grad unseres qualitativen und quantitativen Verständnisses. Besondere Bedeutung wird jenen Fragen gewidmet, die erst in einem brennenden Plasma und durch die Anwesenheit fusionsproduzierter alpha-Teilchen entstehen, und die daher erst in ITER in umfassender Form untersucht werden können.
Heinz Hilgers
NANOFUNK - Plasma-Oberflächenmodifizierung von Grenzflächen
Dienstag, 28.3.2006, 14:00 Uhr, Hörsaal 1002
Funktionale Oberflächen und innere Grenzflächen gewinnen bei der Entwicklung von neuen innovativen Materialien und Werkstoffsystemen immer mehr Bedeutung. Reibung, Haftung, Verschleiß sowie chemische und biologische Funktionalitäten werden wesentlich durch die Eigenschaften von Oberflächen und Grenzflächen und durch ihre Wechselwirkung mit der Umgebung bestimmt. In den hier berichteten Beispiel handelt es sich um ein branchen übergreifendes Projekt, daß sich mit der gezielten Funktionalisierung im submonomolekularen Bereich befaßt. Dabei geht es darum, die Eigenschaften des behandelten Substrats bei der Ober- flächenmodifikation nicht völlig zu verlieren, sondern gezielt und sehr genau an die Nutzungsbedingungen anzupassen.
Andreas Tünnermann
Ultrakurzpuls-Faserlaser
Mittwoch, 29.3.2006, 8:30 Uhr, Hörsaal 1002
Die ersten Faserlaser wurden Anfang der sechziger Jahre realisiert. Bei Emissionswellenlängen um 1 Mikrometer betrugen die Ausgangsleistungen dieser durch Entladungslampen angeregten Systeme nur wenige Milliwatt. Durch jüngste Entwicklungen auf den Gebieten der Faserund Wellenleiteroptik sowie der Hochleistungsdiodenlaser stellen heute Faserlaser und -verstärker attraktive Konzepte für die Realisierung von kohärenten Lichtquellen hoher Leistung und Effizienz mit Emissionen im sichtbaren und nahinfraroten Spektralbereich dar. Grundlagen von Faserlasern und -verstärkern im kontinuierlichen und gepulsten Betrieb werden vorgestellt, Stand und Perspektiven derartiger Systeme werden diskutiert.

Direkt im Anschluß an den Vortrag von Herrn Tünnermann findet um ca. 9:10 Uhr die Verleihung des WLT-Doktorandenpreises statt.
Günter Bräuer
Plasmen in der Beschichtungstechnik - Beispiele für aktuelle Entwicklungen
Mittwoch, 29.3.2006, 14:00 Uhr, Hörsaal 1002
Großvolumige technische Plasmen sind heute der Schlüssel für eine wirtschaftliche Herstellung hochwertiger Funktionsschichten auf ebenen (z.B. Glastafeln) oder dreidimensionalen Substraten. Während der vergangenen 30 Jahre haben sich physikalische und chemische Dampfabscheidung aus dem Plasma in vielen Anwendungsfeldern etabliert. Gepulste Plasmen spielen seit etwa 10 Jahren eine wichtige Rolle in Forschung und Industrie. Das Puls-Magnetron-Sputtern hat wesentliche Probleme bei der langzeitstabilen Abscheidung isolierender Schichten wie Al2O3 oder SiO2 gelöst. Eine aktuelle Weiterentwicklung dieser Technik, das so genannte Hochleistungs-Pulssputtern, liefert Plasmen mit Ionisierungsgraden größer als 0,5 und damit auch völlig neue Schichteigenschaften. Das gegenwärtige Interesse gilt besonders auch atmosphärischen Plasmen auf der Basis von Barriereentladungen. Entsprechende Quellen sind einfach aufgebaut und ohne Probleme skalierbar. Anwendungsbeispiele sind die Reinigung oder Funktionalisierung der Oberflächen von Flachsubstraten sowie die Modifikation innerer Oberflächen von Mikrofluidikkomponenten. Der Beitrag behandelt die genannten und weitere Beispiele für den Einsatz von Plasmen in der Oberflächentechnik.
Georg Pretzler
Ultrakurz und superheiß: Plasmaphysik mit modernen Hochintensitätslasern
Donnerstag, 30.3.2006, 8:30 Uhr, Hörsaal 1002
Die rasante Weiterentwicklung der Lasertechnik hat in den letzten Jahren Laser mit immer intensiveren und immer kürzeren Laserpulsen hervorgebracht. Inzwischen steht man einerseits standardmäßig bei vielen 10 TW Leistung und andererseits bei Pulsdauern unter 10 fs, also nur wenigen Zyklen des elektromagnetischen Feldes. Die Wechselwirkung dieser Lichtpulse mit Materie führt zu exotischen Zuständen und zu spektakulären und überraschenden Effekten, von denen im Vortrag die Rede sein soll. Zum ersten werden grundlegende Wechselwirkungsphänomene diskutiert: Wie wird die Energie von solchen Lichtpulsen auf die Materie übertragen, und welche Materiezustände entstehen? Wie kann man das messen und kontrollieren? Zum zweiten sollen einige spektakuläre Anwendungen besprochen werden, vor allem neue Ergebnisse zur Laser- Teilchenbeschleunigung. Teilchenpulse im 100 MeV - Bereich können inzwischen mit verschiedenen Lasertypen erzeugt werden. Vor allem wurde die Qualität dieser Teilchenstrahlen ganz entscheidend verbessert: Dichte Elektronenpulse mit moderater Spektralbreite und kleiner Divergenz haben inzwischen kleinere Emittanz als die Strahlen von Teilchenbeschleunigern. Experimente zur Anwendung von laserbeschleunigten Teilchenpulsen werden ebenfalls gezeigt, wie auch ein Ausblick auf die nähere Zukunft des Feldes.
Ralf Klessen
Dynamical Processes in Star Formation
Donnerstag, 30.3.2006, 9:15 Uhr, Hörsaal 1002
Stars form by gravoturbulent fragmentation of interstellar gas clouds consisting predominantly of molecular hydrogen as well as small traces of heavier molecules and dust grains. The supersonic turbulence ubiquitously observed in Galactic gas generates strong density fluctuations with gravity taking over in the densest and most massive regions. Collapse sets in to build up stars and star clusters. Turbulence plays a dual role. Or global scales it provides support against gravitational contraction, while at the same time it can promote collapse locally. Stellar birth is thus intimately linked to the dynamical behavior and thermodynamic state of the parental gas cloud, and so depends on its chemical composition and the competition between various heating and cooling mechanisms. Under typical cloud conditions, massive stars form as part of dense clusters following the ‘normal’ mass function observed, e.g. in the solar neighborhood. However, for gas described by an equation of state with effective polytropic index greater than unity star formation becomes biased towards isolated massive stars. This is relevant for understanding the properties of the first stars in the universe or for stars that form under extreme environmental conditions like in the center or our Milky Way.